rt236 – songs against wars, teil 10: NO NUKES

FIFF - Krieg und KI
FIFF – Krieg und KI

THERE’S AN ENGLISH TRANSLATION AT THE END OF THIS POST!!!

In der nächsten Stunde hört Ihr den zehnten Teil von Songs Against Wars: NO NUKES. Wir spielen nur einen einzigen Song von Charles Mingus in einer Endlosschleife:

Oh Lord Don’t Let Them Drop That Atomic Bomb on Me!

Nach einer Idee von Valie Export!

HÖREN: rt236 – songs against wars, teil10: NO NUKE

Weil Deutschland wieder Krieg führt, spielen wir für Euch Anti-Kriegs-Lieder … SONGS AGAINST WARS! Freunde haben uns ihre liebsten Anti-Kriegs-Lieder geschickt.

ANMOD SONG1

Lieber Heiliger St. Florian, lass bitte alle Katastrophen, den Krieg, die Feuer, die Überschwemmungen, die Unwetter und den Kapitalismus NICHT BEI UNS, sondern irgendwo anders passieren … im zehnten Teil von Songs Against Wars befassen wir uns mit einem der populärsten, frommen Wünsche: „Oh Lord, Dont Let Them Drop That Atomic Bomb On Me“ – „Lieber Gott, lass es nicht zu, dass sie mir eine Atombombe auf den Kopf schmeissen!“ Es ist ein Song des amerikanischen Jazzmusikers Charles Mingus aus dem Jahr 1961. Im selben Jahr, indem in Deutschland die Mauer gebaut wurde und der Kalte Krieg am kochen war, formulierte der schwarze Künstler, was vielen Menschen nicht nur damals grosse Angst machte.

Oh Lord, Dont Let Them Drop That Atomic Bomb On Me
Oh Lord, don’t let them drop it
Stop it

Seit dem 2. Weltkrieg, nachdem die Nazis mit der V2, dem Aggregat 4, der A4 die ersten, erfolgreichen Langstreckenwaffen entwickelt hatten, verlagerte sich das Wettrüsten der beiden Grossmächte USA und UDSSR bis hinaus in den Weltraum. Befeuert durch den Kalten Krieg wurden nicht nur Affen, Hunde und Menschen in den Raum über, rund um die Erde transportiert. Aus Raketen und Atombomben wurden Kurz-, Mittel-, Langstrecken- und Interkontinentalraketen, mit Atomladungen, die ein Vielfaches stärker sind als die historische Hiroshimabombe. Längst werden Atomwaffen von verschiedensten Nationen entwickelt und die Menschheit verfügt über das Potenzial, diesen Planeten mehrmals in die Luft zu sprengen.

Nach der Kubakrise 1962 wurden erstmals Entspannungsgespräche geführt. Einen entscheidenden Durchbruch zur Abrüstung des globalen Atomarsenals gab es erst im Dezember 1987: Im Weißen Haus unterschrieben US-Präsident Ronald Reagan und der sowjetische Staatschef Michael Gorbatschow den INF-Vertrag, das Abkommen zum Abbau der Mittelstreckenwaffen in Europa. Es war das erste greifbare Ergebnis der Entspannungspolitik zwischen Ost und West, die mit Gorbatschows Machtübernahme im Kreml begonnen hatte. Ebenfalls 1987 gab es massive Proteste der westdeutschen Friedensbewegung gegen die Stationierung der US-amerikanischen Pershing-Raketen in Mutlangen. Und in der DDR protestierten friedensbewegte AktivistInnen für den Abzug der sowjetischen SS20-Raketen.

Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg gibt es jetzt eine Renaissance, die Wiedergeburt der Atomwaffen. Drei Beispiele aus diesem Jahr:

  1. Seit diesem Jahr sind wieder offiziell Atomwaffen in Belarus stationiert.
  2. Seit einigen Wochen gibt es Neuigkeiten aus Australien: Wegen der vermeintlichen Bedrohung durch China rüstet Australien mächtig auf. Vor allem will Australien endlich auch in das „Raketenzeitalter“ eintreten.
  3. Neu im Atombombengeschäft sind sogenannte Hyperschallwaffen. Die Nuklearmächte Russland, China und die USA nehmen bei der Entwicklung von Hyperschallwaffen eine führende Rolle ein. Diese beeindrucken durch ihre mehrfache Schallgeschwindigkeit und sind von den aktuellen Luftabwehrsystemen nur schwer zu erwischen. Die russischen Kinschal-Raketen können von einem aus Kaliningrad aufgestiegenen Flugzeug abgeschossen werden und wären dann zwanzig Minuten später in Berlin.

Zusätzlich interessant sind jedoch Bemerkungen wie folgende: Der Harvard-Historiker Serhii Plokhy behauptet schon länger, dass der Krieg in der Ukraine seit Tag eins ein nuklearer Krieg sei. Er bezieht sich dabei auf die Atomkraftwerke in den Kriegsgebieten. „Atomwaffen sind nicht meine größte Sorge, sondern vielmehr, dass Russland bereits am ersten Kriegstag die ukrainischen Atomkraftanlagen Tschernobyl und Saporischschja eingenommen hat.“ Plokhy hält es für realistisch, dass in der grössten Atomkraftanlage Europas eine Katastrophe passiert: „Wenn die Versorgung abreißt – und das kann schnell, gar versehentlich passieren, ein Raketeneinschlag reicht –, dann könnte es zu einer Fukushima-Situation kommen.“ Das Problem ist eigentlich ein Problem der Atomindustrie: Atomkraftwerke sind nicht dafür gebaut, gezielten Angriffen Stand zu halten. Für diese Erkenntnis ist es inzwischen allerdings reichlich spät.

Der Direktor des Friedensforschungsinstituts Sipri hat im Juni vor immer mehr einsatzfähigen Atomwaffen weltweit gewarnt. Die Atomdiplomatie hat seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 starke Rückschläge erlitten. Kremlchef Wladimir Putin hatte im Februar 2023 den Abrüstungsvertrag „New Start“ – den letzten großen atomaren Abrüstungsvertrag mit den USA – außer Kraft gesetzt. Auch Gespräche über ein Nachfolgeabkommen für den 2026 auslaufenden Vertrag wurden auf Eis gelegt. „Es besteht dringender Bedarf, die Atomdiplomatie wiederherzustellen und die internationalen Atomwaffenkontrollen zu stärken“, forderte Sipri-Direktor Dan Smith. In Zeiten geopolitischer Spannungen, des Misstrauens und der abgeschalteten Kommunikationskanäle zwischen atombewaffneten Rivalen sei die Gefahr von Fehleinschätzungen, Missverständnissen oder Unfällen inakzeptabel hoch. Die Regierungen müssten Wege zur Zusammenarbeit finden, um die Spannungen zu beruhigen, das Wettrüsten abzubremsen sowie die sich verschlimmernden Folgen von Klimakrise und wachsendem Hunger in der Welt zu bewältigen. Smith machte klar: „Wir driften in einen der gefährlichsten Zeiträume der Menschheitsgeschichte ab.“

Da passt es gut, dass die österreichische Medienkünstlerin Valie Export für eine Ausstellung im Kunsthaus Bregenz in diesem Jahr den etwas verstaubten Song von Charles Mingus vom Staub befreit und in eine Endlosschleife gepackt hat. In ihrer Installation war allerdings eine Neuinterpretation von Peter Madsen zu hören. Valie Export hat dieses Lied mit seiner einzigen eindringlichen Textzeile bereits 1989 in ihrem Dokumentarfilm „Aktionskunst International“ verwendet: „Der Song wurde 1961 für die Angst vor der Atombombe während des Kalten Krieges geschrieben, und jetzt springt er direkt in die jetzige Angst.“

Charles Mingus hat mit diesem Lied unserer innersten, selten hörbaren Stimme eine deutliche, laute Stimme gegeben, die sagt: Also bitte, Herr oder Frau Gott, lass diese Bombe auf niemanden fallen, falls aber doch, bitte nicht auf mich, weil ich nur dieses Leben habe und es mir sehr am Herzen liegt!

Charles Mingus sagt es ganz ehrlich und sogar mit Humor: „Oh Lord Don’t Let Them Drop That Atomic Bomb on Me! Don’t let ’em drop it! Stop it! Be-bop it!“

In der nächsten Stunde hört Ihr den zehnten Teil von Songs Against Wars: NO NUKES. Wir spielen nur einen einzigen Song von Charles Mingus in einer Endlosschleife: Oh Lord Don’t Let Them Drop That Atomic Bomb on Me!

SONG 1 – Charles Mingus – Oh Lord Don’t Let Them Drop That Atomic Bomb on Me, 5:40

Endlosschleife …

ABMOD

Ein grosses Dankeschön für ihre Beteiligung an dieser Sendung geht an Andi, Alfredo, Bela, Birgit, Mona, Jason, Joanie, zweimal Jörg, Olaf, Bodo, Siggi, Mufflon, Hado, Vera, Micha, Roy, Ebo, Rob, Rudi, Harald, Cheech, Bernd, Elektra, zweimal Rebecca, Kalle, Thorsten, Benny, Sara, Yvonne, Logo, Tiina, Maria, Oli, und Philip.

Das Dankeschön für die Idee zu dieser Sendung geht an die feministische Aktivistin und Medienkünstlerin Valie Export.

ABMOD Vicky

Infos zu allen Radiotipi-Sendungen findet Ihr auf der Webseite von RADIOTIPI PUNKT D-E. Dort gibts auch Links zum Nachhören.

Das Medienmagazin Radiotipi gibt es jeden vierten Montag im Monat bei Radio-T aus Chemnitz. Anregungen und Kritik gerne per Email an: REDAKTION AT RADIOTIPI PUNKT DE.

Moderation und Redaktion: Frieder

Wir wünschen Euch ein stressfreies, langes Leben. Vielen Dank fürs Zuhören.

Jingle radiotipi

Jingle radio-t

HÖREN: rt236 – songs against wars, teil10: NO NUKE

Der Schritt in die Abrüstung, Von Matthias Rumpf · 08.12.2007
https://www.deutschlandfunkkultur.de/der-schritt-in-die-abruestung-102.html

https://www.tagesspiegel.de/internationales/russische-atomwaffen-in-belarus-was-hinter-wladimir-putins-plan-steckt-9564761.html

7.5.23 Harvard-Historiker Serhii Plokhy „Der Krieg in der Ukraine ist schon seit Tag eins ein nuklearer“

12.06.23 Rückschläge für Atomdiplomatie durch Ukraine-Krieg (aus einer dpa-meldung)

https://www.tagesspiegel.de/valie-export-im-kunsthaus-bregenz-eine-stalinorgel-im-glashaus-9461936.html

https://www.facebook.com/kunsthausbregenz/videos/hello-peter-madsen-der-us-amerikanische-jazzpianist-arrangierte-f%C3%BCr-valie-export/5967891526641200/

ENGLISH TRANSLATION (by google-translate, might not be sooo good, but it tells you the main points)

Because Germany is at war again, we play anti-war songs for you… SONGS AGAINST WARS! Friends sent us their favorite anti-war songs.

ANMOD SONG1

Dear Saint St. Florian, please let all the catastrophes, the war, the fires, the floods, the storms and capitalism NOT AT OUR PLACE, but somewhere else happen… in the tenth part of Songs Against Wars we deal with one of the most popular, c Wishes: „Oh Lord, Dont Let Them Drop That Atomic Bomb On Me!“ It’s a 1961 song by American jazz musician Charles Mingus. In the same year that the Wall was built in Germany and the Cold War was boiling, the black artist formulated what scared many people, not only at the time.

Oh Lord, Don’t Let Them Drop That Atomic Bomb On Me
Oh Lord, don’t let them drop it
stop it

Since the Second World War, after the Nazis had developed the first successful long-range weapons with the V2, the Aggregat 4 and the A4, the arms race between the two great powers, the USA and the USSR, had shifted to outer space. Fired up by the Cold War, it wasn’t just monkeys, dogs and humans that were transported around the world. Rockets and nuclear bombs became short-, medium-, long-range and ICBMs, with nuclear charges many times more powerful than the historic Hiroshima bomb. Nuclear weapons have long been developed by a wide variety of nations and humanity has the potential to blow up this planet several times.

After the Cuban Missile Crisis in 1962, detente talks were held for the first time. A decisive breakthrough in the disarmament of the global nuclear arsenal did not come until December 1987: US President Ronald Reagan and Soviet head of state Michael Gorbachev signed the INF treaty in the White House, the agreement to reduce intermediate-range weapons in Europe. It was the first tangible result of the policy of detente between East and West, which began with Gorbachev’s takeover of power in the Kremlin. Also in 1987 there were massive protests by the West German peace movement against the stationing of the US Pershing missiles in Mutlangen. And in the GDR, peace-moving activists protested for the withdrawal of the Soviet SS20 rockets.

In connection with the Ukraine war, there is now a renaissance, the rebirth of nuclear weapons. Three examples from this year:

Nuclear weapons have been officially stationed in Belarus again since this year.

There has been news from Australia for a few weeks: Because of the supposed threat from China, Australia is arming itself powerfully. Above all, Australia wants to finally enter the „rocket age“.

So-called hypersonic weapons are new to the atomic bomb business. The nuclear powers Russia, China and the USA play a leading role in the development of hypersonic weapons. These impress with their multiple speed of sound and are difficult to catch by the current air defense systems. The Russian Kinzhal missiles can be fired from a plane that has taken off from Kaliningrad and would then be in Berlin twenty minutes later.

Of additional interest, however, are remarks such as the following: Harvard historian Serhii Plokhy has long maintained that the war in Ukraine has been a nuclear war since day one. He refers to the nuclear power plants in the war zones. „Nuclear weapons are not my biggest concern, but rather that Russia took over the Ukrainian nuclear power plants Chernobyl and Zaporizhia on the first day of the war.“ Plokhy considers it realistic that a catastrophe could happen in Europe’s largest nuclear power plant: that can happen quickly, even accidentally, a rocket hit is enough – then a Fukushima situation could arise.” The problem is actually a problem of the nuclear industry: nuclear power plants are not built to withstand targeted attacks. However, it is now far too late to realize this.

In June, the director of the Sipri peace research institute warned of the increasing number of operational nuclear weapons around the world. Nuclear diplomacy has suffered major setbacks since Russia invaded Ukraine in February 2022. In February 2023, Kremlin chief Vladimir Putin suspended the “New Start” disarmament treaty – the last major nuclear disarmament treaty with the United States. Talks about a follow-up agreement for the contract, which expires in 2026, have also been put on hold. „There is an urgent need to restore nuclear diplomacy and strengthen international nuclear weapons controls,“ said Sipri director Dan Smith. In times of geopolitical tensions, distrust and the switched off communication channels between nuclear-armed rivals, the risk of misjudgements, misunderstandings or accidents is unacceptably high. Governments must find ways to work together to calm tensions, slow the arms race and deal with the worsening consequences of the climate crisis and rising world hunger. Smith made it clear: „We are drifting into one of the most dangerous times in human history.“

So it’s fitting that the Austrian media artist Valie Export dusted off Charles Mingus‘ somewhat dusty song for an exhibition at the Kunsthaus Bregenz this year and put it in an endless loop. In her installation, however, a new interpretation by Peter Madsen could be heard. Valie Export used this song with its single haunting lyric line back in 1989 in her documentary Aktionskunst International: „The song was written in 1961 for the fear of the atomic bomb during the Cold War, and now it jumps right into the fear of now.“

With this song, Charles Mingus gave our innermost, rarely audible voice a clear, loud voice that says: So please, Lord or Lady God, don’t drop this bomb on anyone, but if you do, please don’t drop it on me, because I only do this have life and it is very important to me!

Charles Mingus says it honestly and even with humor: „Oh Lord Don’t Let Them Drop That Atomic Bomb on Me! Don’t let ‚em drop it! Stop it! Be bop it!”

In the next hour you will hear the tenth part of Songs Against Wars: NO NUKES. We’ll only play one Charles Mingus song in a loop: Oh Lord Don’t Let Them Drop That Atomic Bomb on Me!

SONG 1 – Charles Mingus – Oh Lord Don’t Let Them Drop That Atomic Bomb on Me, 5:40

infinite loop…

ABMOD

A big thank you for your participation in this show goes to Andi, Alfredo, Bela, Birgit, Mona, Jason, Joanie, twice Jörg, Olaf, Bodo, Siggi, Mufflon, Hado, Vera, Micha, Roy, Ebo, Rob, Rudi, Harald, Cheech, Bernd, Elektra, twice Rebecca, Kalle, Thorsten, Benny, Sara, Yvonne, Logo, Tiina, Maria, Oli, and Philip.

Thanks for the idea for this show goes to the feminist activist and media artist Valie Export.